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: Jobpilot

Bauchmensch mit Humor und Marketingverstand

Christian Leonhardt schafft Visionen und Illusionen, manipuliert Bilder und zittert mit Das Werk an der Börse

Willkommen in der Zukunft. “Und die Zukunft ist digital.” Nicht nur beim Telefonieren, bei DVD und im Internet. Auch in der Filmherstellung und Filmnachbearbeitung. Dessen ist sich Christian Leonhardt, Vorstand Marketing und Mitbegründer von Das Werk AG sicher. So sicher, dass sich der geborene Münchner auf keine auch nur ansatzweise anders geartete Diskussion einlässt. Sie ist digital. Und damit basta.

Christian Leonhardt ist ein unscheinbarer Mann. Keiner von der Sorte, wie man sich überkandidelte Hamburger, Düsseldorfer oder Frankfurter Werber vorstellt. Nicht gelackt, nicht gegelt. Keine Designer-Anzüge, keine teuren Protzuhren und schon gar keine italienischen Maßschuhe. Der studierte Betriebswirt ist ein – im positiven Sinne - bodenständiger Typ. Ungern steht er als Mitbegründer der Postproduktion alleine im Rampenlicht. Immer ist er darauf bedacht, auch seine Mitstreiter im Licht der Öffentlichkeit zu positionieren. Das war so, bevor Deutschlands größtes Bewegtbild-Bearbeitungshaus Das Werk am 25. August 1999 an die Böse gegangen ist. Und das ist bis heute so geblieben.

“Herzlich willkommen im Werk.” Der hintergründigen Humor liebende Christian Leonhardt begleitet gerne Besucher durch die Postproduktion in der Frankfurter Kommunikationsfabrik. Er ist nicht der Typ Geschäftsführer, der durch die Weltgeschichte jettet und andere für sich schuften lässt. Er ist nicht der Typ Manager, der nur bei wichtigen Kunden und Werbegurus ans sowieso unentwegt klingelnde Telefon geht. Er ist nicht der Typ Boss, der nur delegiert. Er ist ein Macher. Ein Mensch, der, “blinden Aktionismus hasst”. Ein Charakter, der viele “Entscheidungen aus dem Bauch heraus fällt” und der Konfliktlösungen dutzendfach über die spontane Kommunikation herbeiführt. Ein oft gehörter Leonhardt-Satz im Werk ist: “Da rufen wir jetzt einfach an und klären das.” Leonhardt war bis zum Börsengang oft für die Realisierung von Projekten verantwortlich, die trotz knappem Budget kreativ hohen Ansprüchen genügten. Heute sitzt er als Marketingvorstand über den elf Bearbeitungssuiten des Werks, in denen Spielfilme nachbearbeitet, Labels in Werbespots ausgetauscht, Farben verändert, Illusionen geschaffen und Wirklichkeiten auf den Kopf gestellt werden. Bilder werden animiert, erzeugt, retuschiert, korrigiert, manipuliert und mit Effekten versehen. Leonhardt: “Kein Werbespot kommt heute ohne Nachbearbeitung aus.” Kein TV-Trailer, kein Kino- und Spielfilm geht unbearbeitet auf Sendung. Das Werk ist vollgestopft ist mit technischer Raffinesse. Mit Infinitys, Avids und Edit-Boxen, mit Hightech-Rechnern zur digitalen Bildbearbeitung, die pro Exemplar gut 1,5 Million Mark kosten.

Digitale Postproduktion – was ist das genau? Leonhardt, der die Bayerische Akademie der Werbung besucht hat, benutzt Bilder: “Wenn Pinguine für Hyundai durch Münchner Straßen laufen, wenn die New Yorker Skyline für Comedian Harmonists so verändert wurde, dass sie aussieht wie vor sechzig Jahren, wenn Wetterfrösche in Gläsern auf und ab laufen oder wenn in Musikvideos Schlagzeuger zu kopflosen Handwerkern werden, das ist digitale Postproduktion.” So einfach ist das. Oder doch nicht? Denn damit Campino von den Toten Hosen im Düsseldorfer Fernsehturm schrumpft, Otto, der Blödler, im Katastrofenfilm zum Baby mutiert, Ingos Karosse sich im DEA-TV-Spot in eine Ente verwandelt, ist viel technisches Knowhow vonnöten. Wissen, das alle naslang aufgrund der technischen Neuerungen und innovativen Entwicklungen nachgebessert werden muss. Denn in der digitalen Bildbearbeitung, sagt Leonhardt, der den Ehrgeiz hat, die Hightech-Computer in Grundzügen bedienen zu können, gibt es keinen Stillstand. Alles, was sich kreative Zeitgenossen für ihre Filme ausdenken, kann auch in die Tat umgesetzt werden. Es ist nur eine Frage von Zeit und Geld.

Willkommen in der Wirklichkeit. Und die ist stockdunkel. Christian Leonhardt sitzt in der Infinity-Suite und demonstriert, wie man Bilder frisiert. Ruckzuck hat er einen Stift mit Induktionsspitze in der Hand. Damit fährt er über einen Pult. Filmsequenzen werden herausgeschnitten, verschiedene Bildebenen übereinandergelegt, zur Seite gelegt, bearbeitet oder kurzerhand gegen andere ausgetauscht. Ein neue Sichtweise entsteht. Leonhardt grinst: “So einfach ist das.” Zumindest heute. Denn Ende 1991, als Leonhardt gemeinsam mit Stefan Jonas, Ralf Drechsler und Stefan Jung Das Werk gegründet hatten, war es nicht so einfach mit der digitalen Bildbearbeitung. Denn das Quartett brauchte qualitativ hochwertige Hardware. Und die war damals genau so teuer wie heute. “Wir haben am Anfang ein Vermögen investiert.” Die Geschichte, die Leonhardt in diesem Zusammenhang gerne erzählt, beweist, dass er gut über sich selbst lachen kann. “1,3 Millionen Mark haben wir für unseren ersten Harry-Computer bezahlt.” Lehrgeld. Denn ein paar Monate später war die Maschine veraltet und die neue Generation auf dem Markt.

Willkommen an der Börse. Das Abenteuer Going public war schon länger eine Vision für Leonhardt und Co. Vor gut einem Jahr war’s dann soweit. Vison possible. Tage- und nächtelang hat er die TV-Spots entwickelt und bearbeitet, mit denen der Börsengang kommuniziert wurde. “Wir sind die erste deutsche börsennotierte Postproduktion”, sagt Leonhardt. “Der Börsengang war ein Pioniergefühl wie damals, als wir mit der Firma angefangen haben. Spannend, wie am ersten Tag.” Die Aktienausgabe am 25. August 1999. Pressekonferenzen. Ausgabepreis der 2,2 Millionen Stammaktien mit 20 Euro am oberen Ende der Bookbildingspanne. Erster Handelstag am Neuen Markt: Die Aktie kostet 43 Euro. Firmenwert binnen 24 Stunden verdoppelt. 52-Wochen-Höchststand: 51 Euro. Die Talsohle liegt bis dato bei 27 Euro. “Das hätte mich viele graue Haare gekostet.” Die Betonung liegt auf “hätte”, denn Haare hat Christian Leonhardt nur noch in zählbarer Menge. Wegen des Börsengangs und der damit verbundenen Pflichten mußte der zwischen 1985 und 1991 bei der Hoechst AG für audiovisuelle und neue Medien zuständige Werber auf eine ihm lieb gewordene Routine verzichten: “Die jährliche Reise nach Indien in meinen Ashram.” Dort verbringt der Mensch, der zuweilen abgewetzte Levi‘s-Jeans mit Edelsakkos kombiniert – an dem Krawatten aber wie ein Fremdkörper wirken – normalerweise ein paar Wochen im Jahr. “Zum Reinigen von Körper und Geist.”

Willkommen in Frankfurt. Ganz oder gar nicht, das scheint Leonhardts Motto zu sein. Auch wenn er seine bajuwarische Herkunft bis heute nicht verleugnen kann, so ist aus dem süddeutschen Bildwerker doch ein zumindest sehr aktiver Frankfurter geworden. Er ist ein sehr engagierter Förderer des Standorts Rhein-Main als Zentrum digitaler Bildbearbeitung in Deutschland. Maßgeblich wirkt er als Sprecher des Fachbeirats der eDit, dem seit 1998 stattfindenden internationalen Postproduction-Kongress, an Aufbau und Organisation der Leistungsschau mit.

Welcome to the world. Aus der Ein-Standort-Philosophie Das Werk, Frankfurt, haben Leonhardt, Jonas, Jung und Drechsler inzwischen eine international agierende Gruppe aufgebaut. Die Kernkompetenzen: digitale Postproduktion und Spielfilmproduktion & Rechtehandel. Wichtige Expansionscoups waren die Fusion mit der internationalen Filmproduktion “Road Movies”, Los Angeles, London und Berlin, von Regisseur Wim Wenders, die Beteiligung an Max, Brüssel, einem Joint-venture führender Postpoduktionshäuser in Frankreich, Belgien und Italien, sowie just die Übernahme von EnEffecto, dem spanischen Marktführer in der digitalen Postproduktion. 1999 bilanzierte die AG einen Erlös von 74,2 Millionen Mark. Für dieses Jahr sind Erlöse von 170 Millionen Mark und ein Gewinn von 14 Millionen Mark geplant.

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Der Flurfunk sendet überall

Wie viel Privates darf sein? Wo ist Grenze der Offenheit, wo die klare Trennungslinie zwischen Beruf und Privatleben zwischen Klatsch und Tratsch im Büro

“Haben Sie schon gehört, Frau Wilke wurde heute Morgen zum Chef zitiert.” “Stellen Sie sich mal vor, Herr Dr. Baumann ist gestern Abend mit seiner neuen Flamme im Theater gesehen worden.” “Wissen Sie was, Herr Schneider aus der Netzwerkbetreuung im dritten Stock soll von der Konkurrenz abgeworben worden sein.” Klatsch und Tratsch im Büro – allgegenwärtig ist das Getuschel unter Kollegen, beliebt die Gerüchteküche in der Kantine, und zwar Branchen übergreifend. In der Bank wird genauso getuschelt wie im Bioladen, in der Versicherungsbranche wird ebenso gemunkelt wie im Verlagswesen.

Klatsch und Tratsch ist hoffähig. Kaum ein Hochglanzmagazin Magazin verzichtet auf die Klatschspalten. Nur wenige private Fernsehsender entsagen den Outing-Shows im Nachmittagsprogramm, in denen Bekenntnis über Probleme des Privatlebens abgelegt wird. Wie im TV, so im Büro. Was für manche Menschen zur Bürokommunikation dazu gehört wie das Stechen der Zeitkarte zum Arbeitsbeginn, ist anderen Kollegen ein Graus. Manuela Pinnau* (Name von der Redaktion geändert) ist so eine Zeitgenossin, der der Büro-Smalltalk mächtig zusetzte. Der Reisebüroangestellten ging es eine Zeitlang schlecht. Dunkle Ringe unter ihren Augen sprachen eine deutliche Sprache: Schlafmangel, Ärger, Zerrissenheit. Weil die junge Frau nicht zu den Tratschtanten gehört, konnten ihre Kolleginnen auch nur argwöhnen, dass wohl irgendetwas mit ihr nicht in Ordnung war. Man dichtete ihr Dies und Jenes an. In Wirklichkeit waren es Eheprobleme, über die sie im Büro nicht sprechen wollte. Das zugeknöpfte Verhalten Reiseverkäuferin hat seinen Grund: “Ich habe schon oft erlebt, wie Leuten, die viel erzählen und ihr Innerstes nach außen kehren, eines Tages daraus ein Strick gedreht wird. Darauf habe ich keine Lust.”

Tratsch im Büro – der Flurfunk sendet in großen Konzernen und kleinen Familienbetrieben gleichermaßen. Sabine Klein*, Marketingassistentin in einem internationalen Verpackungskonzern: “Bei uns wird ständig darüber getratscht wie die Leute angezogen sind, wie sie sich schminken, wie manche Kollegen von den Chef bevorzugt werden oder dass Marketing und Vertrieb nicht miteinander können.” Aus ihrer Erfahrung heraus gibt es keinen großen Unterschied in der Hierarchie. “Sekretärinnen tratschen bei uns genauso wie die Marketingassistenten, Product Manager oder Key-Account-Leute.” Diese Einschätzung bestätigt Heike Bloch*, in der Entwicklungsabteilung einer großen deutschen Automarke beschäftigt: “In jeder Abteilung gibt es mindestens einen, der tratscht.” Männer, so sagt sie, genauso wie Frauen. Der einzige Unterschied: “Frauen tratschen mehr über die persönlichen Dinge wie Beziehungskisten und Klamotten. Männer hingegen mehr über Firmeninterna und Abteilungsstress.” Eine Erfahrung, die auch Peter M. Keller* gemacht hat. Er war früher Kundenberater in einer großen Werbeagentur, der es wirtschaftlich nicht besonders gut ging: “Es gab ständig Boshaftigkeiten. Der Betriebsrat gegen die ständig wechselnde Geschäftsführung. Kolportiert wurde wer in wessen Gunst oder Missgunst steht, wer wohin abwandern will, wer welche Präsentation vergeigt hat und wer auf welchem Posten völlig unfähig ist.” Heute ist er selbstständig mit einer kleinen Agentur. Seine Einschätzung: “Je kleiner das Büro und je höher die Identifikation mit der Arbeit ist, desto weniger wird getratscht.”

Tratsch – Kulturgut oder Boshaftigkeit? Wenn weiland der Landgasthof-Tratsch so etwas wie eine soziale Komponente beinhaltete, ein Element des sozialen Zusammenhalts war, hat sich der Klatsch in deutschen Büros und Unternehmen heute in Gegenteil gewandelt. Gemeinschaftsgeist ade. Das Gerede über andere hat seine Wurzel fast immer in Neid und Mißgunst. Über sympathische, gesunde, erfolgreiche und glückliche Menschen wird fast nie getratscht. Immer stehen Defekte, Fehler und Missgeschicke im Zentrum des Smalltalks. Dennoch: Nicht alle Mitarbeiter sind dem Tratsch gegenüber aufgeschlossen. Viele Menschen sind darauf bedacht, Beruf und Privatleben strikt zu trennen. Zumindest wenn es ums Eingemachte geht. Männer sind darin geübt. Sie können stundenlang über Fitness, Fußball und Ferrari fabulieren ohne ein einziges Mal gefragt zu haben: Wie geht es dir? Was machen deine Kinder? Läuft deine Ehe gut? Frauen hingegen, sind sich die Experten einig, sind offener, emotionaler – sie erzählen mehr und persönlichere Dinge. Doch wo ist Grenze der Offenheit, wo die klare Trennungslinie zwischen Beruf und Privatleben? “Es gibt sie nicht wirklich. Jeder muss für sich selbst entscheiden, wie viel er von sich und seinem Privatleben preisgeben will”, sagt der Koblenzer Diplompsychologe und Psychotherapeut Bruno Hoeller. Doch warnt er davor, zuviel Offenheit zu Markte zu tragen.

Auch wenn die vornehme Zurückhaltung allemal besser ist als das Lautsprecherimage: Arbeitnehmer sollten sich nicht völlig aus dem sozialen Geflecht Büro ausgrenzen. Der Kontakt zu den Kollegen ist wichtig und wird durch eine Flasche Schampus nach der Arbeit, durch ein Sommerfest oder eine interne Geburtstagsfeier gefestigt und gefördert. Bei solchen Anlässen kann man über die ins Wasser gefallene Radtour, die neuen Flohhalsbänder für Katzen, die Vorzüge von ausziehbaren Backwagen oder das peinliche Handygebimmel mitten in Wagners “Tristan und Isolde” parlieren. Über Themen also, die unverfänglich sind. Ernste persönliche Probleme haben in der Regel im Büro nichts verloren. Wer dennoch quasselt, muss damit rechnen, dass auf lange Sicht nicht nur das Ansehen leidet. Das Standing in der Bürogemeinschaft wird schnell auf das der Quasselstrippe und des Schwätzers reduziert.